Das ArbG Herne hat nun in einer aktuellen Entscheidung klar gestellt, dass ein monatlich ausgezahltes Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn anrechenbar ist. Das kuriose an der Entscheidung: Der Arbeitnehmerin wurden für die zwei eingeklagten Monate insgesamt zwei Cent zugesprochen, die zum Erreichen der 8,50 € je Arbeitsstunde fehlten. (ArbG Herne, Urteil vom 07.07.2015 – 3 Ca684/15)
I. Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Jahr 2006 als Servicekraft im Restaurant beschäftigt. Für ihre Tätigkeit im Umfang von 84,5 Stunden erhielt sie zuletzt insgesamt 718,24 € brutto (entspricht einem Stundenbrutto von 8,49 €). Dieser Betrag setzte sich aus dem Grundgehalt i. H. v. 676,91 € brutto sowie einem monatlichen gezahlten Weihnachtsgeld i. H. v. 26,62 € und einem ebenfalls monatlich gezahlten Urlaubsgeld i. H. v. 14,81 € zusammen. Die Jahressonderleistungen wurden auf der Gehaltsabrechnung gesondert ausgewiesen.
§4 des Arbeitsvertrags sah ursprünglich vor, dass das Weihnachts- und Urlaubgeld jährlich freiwillig von der Beklagten gezahlt wurden und dieser ein jederzeitiges Widerrufsrecht zustand. Am 13.12.2010 schlossen die Vertragsparteien eine schriftliche Vereinbarung ab, durch die die Jahres-Sonderzahlungen ab dem 01.01.2011 monatlich zu je 1/12 ausgezahlt werden sollten, sodass die Mitarbeiterin „eine entsprechend höhere, gleichmäßige monatliche Grundvergütung“ erhielt. Zudem wurde vorgesehen, dass „etwaige Zusatzbedingungen für die jährliche Sonderzahlungen“ entfallen.
Die Klägerin machte geltend, dass ihr aufgrund der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns eine Grundvergütung i. H. v. 718,25 € monatlich zustehe, auf die das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusätzlich zu zahlen seien. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung auf den zu zahlenden Mindestlohn i. H. v. 8,50 € brutto/Stunde sei unwirksam. Dabei zielte die Klägerin darauf ab, dass die Sonderleistungen nach der ursprünglichen Regelung im Arbeitsvertrag jederzeit frei hätten widerrufen werden können. Dieses Recht der Beklagten würde auch durch den Abschluss der Vereinbarung Ende 2010 zur Neuregelung der Sonderleistungen fortgelten. Zudem würden mit der Weihnachtsgratifikation und dem Urlaubsgeld die Betriebstreue und damit nicht (nur) die Arbeitsleistung honoriert.
II. Entscheidung
Das ArbG Herne gab der Klage i. H. v. 0,02€ statt; i. Ü. wies es sie ab. Nach Ansicht des Gerichts sind die monatlich gezahlten anteiligen Sonderleistungen auf den Mindestlohn anrechenbar. Da die sich so ergebende „Gesamtvergütung“ der Klägerin monatlich jedoch lediglich 718,24 € beträgt, verurteilte es die Beklagte zur Nachzahlung von 0,01 € je eingeklagtem Monat (hier Januar und Februar), da bei einer monatlichen Arbeitszeit von 84,5 Stunden und einer Vergütung von 8,50 € brutto/Stunde jedenfalls 718,25 € - und damit 0,01€ mehr im Monat – zu zahlen sind.
Bei seiner Argumentation stützte sich das Gericht auf die Gesetzesbegründung zum MiLoG, nach der Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn angerecht werden können, wenn sie monatlich bzw. innerhalb des jeweiligen Fälligkeitszeitraums und unwiderruflich gezahlt werden. Das ArbG Herne führte dabei aus, dass sich der Gesetzgeber auf die Rspr. des EuGH sowie des BAG zum AEntG gestützt hat und die in diesem Rahmen entwickelten Kriterien auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu übertragen sind.
Nach Ansicht des ArbG Herne war dabei nicht entscheidend, ob die im Jahr 2010 getroffene Regelung auch den im Arbeitsvertrag noch vorgesehenen Widerrufsvorbehalt ablösen sollte. Denn soweit die Zahlungen zum Fälligkeitsdatum monatlich erfolgen, werden sie bereits dadurch unwiderruflich, so dass der Arbeitgeber nur unter Berücksichtigung eben dieser Leistungen den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllen kann. Da die Zahlungen somit mindestlohnrelevant sind, wäre eine etwaige Rückzahlungsklause ohnehin unwirksam.
Zudem bejahte das Gericht den Entgeltcharakter der Leistungen, da diese einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweisen.
Wir bitten um Beachtung!