Bereits seit 2015 gelten durch das BMF-Schreiben (Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen) aus dem November 2014 zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung umfangreiche Verfahrensdokumentationen bei der Buchführung und der Datenverarbeitung. In der Praxis erlebe ich immer wieder, dass dies vielen Unternehmerinnen und Unternehmern unbekannt ist. Die Verpflichtung gilt für alle Steuerpflichtigen, die Gewinneinkünfte erzielen – also auch für diejenigen, die eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellen.
IT-Systeme: Aus der heutigen Finanzbuchhaltung nicht mehr wegzudenken
Werden im Rahmen der Buchhaltung „IT-Systeme“, also Computer, Tablets, Scanner und entsprechende Software zur Verarbeitung eingesetzt, ist für diese Systeme eine aussagefähige und zu jedem Zeitpunkt aktuelle Verfahrensdokumentation vorgeschrieben. Was die Behörden hochtrabend als „IT-System“ bezeichnen, ist in der Praxis dabei auch das praktische Online-Buchhaltungspaket oder die simple iPad-Kasse. Aus der Dokumentation soll sich insbesondere entnehmen lassen, ob und wie die in den GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) dokumentierten Ordnungsvorschriften beachtet werden. Dabei müssen alle System- und Verfahrensänderungen inhaltlich und zeitlich lückenlos dokumentiert werden.
Pflicht gilt für alle Unternehmen, jedoch keine konkreten Vorgaben
Diese Pflicht zur Dokumentation besteht unabhängig von der Größe und Komplexität des Unternehmens. Weitere Vorschriften und Hinweise wie die Verfahrensdokumentation aussehen soll, werden in dem BMF-Schreiben leider nicht genannt, was die Umsetzung in der Praxis nicht gerade erleichtert. Glücklicherweise hat die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen ergänzend zum Schreiben des Bundesfinanzministeriums folgendes ausgeführt: In der Dokumentation sollen die Schilderung von Abläufen (wie beispielweise der Wareneingang, und der Artikelverkauf) als auch die Demonstration von Kassenvorgängen (wie z.B. Stornobuchungen) beschrieben sein. Weiterhin muss sich aus der Beschreibung ergeben, dass die Buchführung auch entsprechend der Beschreibung durchgeführt wird. Die Verfahrensdokumentation muss darüber hinaus verständlich formuliert und inhaltlich für einen sachverständigen Dritten in angemessener Zeit nachvollziehbar sein.
Wie kann die Verfahrensdokumentation konkret auszusehen?
Fest steht, dass es keine Vorgaben oder gar Vorlagen seitens der Finanzverwaltung gibt. Lediglich die oben genannten allgemeinen Vorschriften sind zu beachten. Man muss sich daher an keine Formvorschriften halten. Technisch gibt es ebenfalls keine Vorgaben zu beachten – die Dokumentation kann also in Papierform, elektronisch oder in einer Kombination daraus erstellt werden.
In der Praxis hat sich folgender Aufbau für eine Verfahrensdokumentation bewährt:
Abschnitt 1: Allgemeine Beschreibung
Abschnitt 2: Techn. Systemdokumentation
Abschnitt 3: Ablaufdokumentation
Abschnitt 4: Anwenderdokumentation
In Abschnitt 1 sollten insbesondere die Rahmendaten des Unternehmens dargestellt werden – Name, Sitz, Rechtsform, gesetzliche Vertreter, Branche und Geschäftszweck, usw.
Bei der technischen Systemdokumentation in Abschnitt 2 geht es vorrangig um die eingesetzte Hard- und Software. Für die Hardware (sowohl Kassen als auch beispielsweise Server und Clients/PCs) gilt dabei folgendes: Es muss pro Einsatzbereich der Gerätename, die Bedienungsanleitung, die Wartungsintervalle, das Fabrikat/Typenbezeichnung, die Seriennummer, der Einsatzzeitraum, die Anzahl und der Einsatzort dokumentiert werden. Für den Softwareanteil (z.B. Firmware) an einem Gesamtsystem wie beispielsweise einer digitalen Kasse auch das sogenannte Programmierprotokoll, sofern es inhaltlichen Einfluss auf die Datenverarbeitung der Software zur Buchführung hat. Zur verwendeten Software sollte die Programmart und der Einsatzbereich, der Name des verwendeten Programms, die Version und die GoBD-Konformitätserklärung gelistet, sowie die Bedienungsanleitung, Gewährleistungsdaten, Wartungsdaten und Programmierprotokolle abgelegt werden.
Durch die Ablaufdokumentation in Abschnitt 3 sind die GoBD-relevanten Prozesse im Unternehmen darzustellen. Dabei ist für jeden einzelnen Prozess folgendes zu erfassen: Name des Bearbeiters (und ggfls. seiner Abteilung), Ort der Ablage und im Bedarfsfall eine kurze Beschreibung des Arbeitsablaufes.
Beschreibung der Prozesse in der Ablaufdokumentation
Beispielhaft können die Prozessschritte für den Rechnungsausgang (digital) wie folgt aussehen:
1 - Erstellung der Rechnung
2 - Prüfung/Freigabe vor Versand
3 - Versand durch durch
4 - Ablage der Rechnung durch
5 - Vergabe einer Beleg-/Ordnungsnummer
6 - Überwachung des Zahlungseinganges
7 - Weitergabe an Steuerberater
8 - Verbuchung
9 - Dokumentsicheres Ablegen
10 - Archivierung des E-Mail-Verkehrs in einem DMS
11 - Vernichtung der Belege
Für eine offene Ladenkasse wiederum könnte diese Aufteilung ähnlich dieses Ablaufs aussehen:
1 - Art der offenen Ladenkasse
2 - Kassenbericht; ist der Kassenbericht retrograd aufgebaut
3 - handschriftliche Kassenberichte
4 - laufende Nummerierung
5 - Kassensturzfähigkeit
6 - Unterschriftsregelungen
7 - Zählprotokolle;
8 - sind Belege vorhanden?
9 - Erfassung der Privateinnahmen- und Ausgaben
Oft übersehen: der Abschnitt 4 der Verfahrensdokumentation. Bei der Anwenderdokumentation geht um die nachvollziehbare Darstellung welche Anwender mit welchen Zugriffsrechten ausgestattet sind.
Die Erstellung einer rechtssicheren Verfahrensdokumentation ist keine einfache Aufgabe. Scheuen Sie sich nicht, hier Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wir kennen einige Unternehmen, bei denen die Verfahrensdokumentation bereits erhebliche interne Kosten verursacht hatte und nicht annähernd vollständig war. Das Team von Mayer & Kollegen konnte diese Dokumentationen dann jedoch innerhalb von wenigen Tagen vervollständigen sowie korrigieren und die oft monatelangen Projekte endlich abschließen.
Der Bundesfinanzhof hat in einem kürzlichen Urteil nochmals unmissverständlich dargelegt, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse entspricht – somit also ein wesentlicher formeller Fehler vorliegt.
Dies führt zwar nicht automatisch dazu, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung oder Kassennachschau die Kassenführung insgesamt in Zweifel gezogen werden kann; aber es ist ein starkes Indiz, so dass es bei Vorliegen weiterer Mängel zu Hinzuschätzungen kommen kann.